Ich freue mich, wenn nicht nur ich über mich selbst rede, sondern auch mal andere über mich. JokeFM hat letzte Woche ein kurzes Interview mit mir geführt und zeigt ein paar meiner Cartoons über Comedy. Refinery29 hat letzten Monat ein paar meiner Zitate zur Comedyszene abgedruckt und Watson.de hat meinen Comedytalk auf Youtube als Positivbeispiel genannt, das Geschlechterstereotype durchbricht: Danke für die Shout-outs!
Refinery29 hat einen Artikel über Frauen in der Comedy geschrieben und mich um ein paar Zitate gebeten zusammen mit Maria Clara Groppler und Erika Ratcliffe. Hier sind sie:
Der nächste Gast ist eine GästinIngrid Wenzel, Maria Clara Groppler und Erika Ratcliffe trauen sich das, was für viele ein Albtraum ist: Auf einer Bühne im Scheinwerferlicht zu stehen, Geschichten erzählen und ein Publikum unterhalten zu müssen. Sie alle haben klein angefangen, teilweise mit einem schlecht eingestellten Mikro vor einer einzigen Person gestanden, oft versagt, vieles gelernt und dann doch wieder gesiegt. Sie alle kennen Situationen, in denen sie vor, nach und während der Shows die einzigen Frauen in einer Gruppe von Männer waren, deren Inhalte auf der Bühne auf ein Thema, nämlich Frauenfeindlichkeit, herunterzubrechen waren. „Man braucht ein dickes Fell, ich bestehe nur noch aus Fell“*, meint Wenzel. Noch bevor ich die Frage nach ihren Erfahrungen mit Sexismus und sexuellen Übergriffen stelle, glaube ich ihre Antworten zu kennen. „Natürlich“, sagt Wenzel, „Wie jede Frau, oder?“, fragt Ratcliffe.(…)
You can’t be what you can’t see(…) „Je mehr und je unterschiedlichere Stimmen auf der Bühne gehört werden, desto besser ist es für uns Comedians, für das Publikum, für die Gesellschaft“, so Wenzel. Sie ist eine von vielen Komikerinnen, die für eine geschlechtergerechte Zukunft kämpfen. Auch Groppler findet es wichtig, dass Clubs beim Booking auf Gender-Equality achten. „Wenn eine Show nur aus Männern besteht und Themen nur aus ihrer Sicht erzählt werden, ist das sehr schade.“(…)
(…) So hat Wenzel ihren Anfang auf Hamburger Bühnen gemacht und dort selbst eine LGBTQ-freundliche Comedybühne gegründet, weil eine Show dieser Art noch fehlte. Aktionismus im Business ist genauso wichtig, wie eine Vorbildfunktion innezuhalten. Heute ist sie in Berlin Teil der alternativen Comedy-Szene. „Wir haben immer mehr Frauen und Shows mit vielfältigeren Line-ups und offenem Publikum. Das wünsche ich mir deutschlandweit und im Fernsehen.“ Die Kontaktdaten ihrer Kolleginnen speichert sie in einer Excel-Liste, die sie regelmäßig aktualisiert. „Falls mich jemand nach Vorschlägen fragt“, erklärt sie. „Da stehen grade etwa 40 Frauen drauf.“
(…)
Müssen sich (Frauen) mehr reinhängen? Wenzel meint nein, denn „Comedy ist eine einzige Challenge. Für alle Teilnehmer*innen. Es gibt keine Routine, jeder Abend ist anders. Man lernt zum Beispiel wie man mit Zwischenrufen umgeht oder wenn niemand lacht.“ (…)
If you gotta make a rape joke use the “Ingrid Wenzel rape joke tool kit”
(…) Und wie gehen sie mit dem sensiblen Thema der politisch korrekten Sprache um? Hat diese überhaupt etwas in der Comedy verloren? Wenzel hat dafür einen Bauplan, den sie beim Kreieren ihrer Inhalte ständig anwendet: „Je sensibler das Thema, desto besser muss der Witz sein.“ Was das im Konkreten bedeutet, erklärt sie uns gern: „ Am Beispiel von Vergewaltigungswitzen können sich Comedians drei Fragen stellen. Erstens: Ist der Witz auf Kosten der Opfer oder auf Kosten der Täter, Rape-Culture oder unseres Rechtssystems? Zweitens: Ist der Witz gut genug, um die Traumawiederholung und Reviktimisierung von Opfern sexueller Gewalt [Anm. d. Red.: also einer erneuten Traumatisierung in einem späteren Lebensabschnitt], die höchstwahrscheinlich im Publikum sitzen, zu rechtfertigen? Und Drittens: Steht auf der Bühne jemand, der oder die bloß schockieren will, oder ein Comedian, der oder die pointiert auf ein Übel hinweist, um die Welt ein Stück besser und lustiger zu machen?“ (…)
(…) „Man kann nicht darauf vertrauen, dass die Verantwortlichen für Strukturen und Verhaltensweisen kämpfen, dass sich Frauen dazugehörig fühlen“, meint auch Wenzel. Wer Comediennes unterstützen möchte, kann beispielsweise Content von Frauen streamen, Open-Mic-Veranstaltung besuchen, und Comediennes auf Instagram und Facebook folgen. Dann geht vielleicht auch Wenzels größter Wunsch in Erfüllung. „Ich hoffe, dass es in fünf Jahren selbstverständlich ist, 50/50 Line-ups zu buchen und wir über das Thema nicht mehr reden müssen.“
Alle meine Freundinnen sind lustiger als ich, aber sie gehen nicht auf die Bühne. Menschen, die verantwortlich für Shows sind, sollten sich fragen, welche Strukturen und Verhaltensweisen helfen, dass sich Frauen dazugehörig fühlen. Ich wünsche mir, dass Frauen mehr Sendezeit und Geld gegeben wird. Dass Menschen an entscheidenden Positionen sich nicht nur für Quoten und Zahlen verantwortlich fühlen, sondern auch für Inhalt und Repräsentation. Es gibt kein „diverstiy audit“ in unserer Branche. Es zählt nur: ist es lustig. Aber oft kommen nicht mal die, die lustig sind, nach oben. Eine „all-female“ Show (wie z.B. zuletzt „Sisters of Comedy – Nachgelacht“) nennt man “Ladies Night”. Ein „all-male“ Line-up nennt man leider Comedyshow.
Es gibt immer mehr Frauen in der Comedyszene und ich wünsche mir, dass es noch mehr werden. Ich wünsche mir auch, dass das Publikum offener und kritischer wird. Dass z.B. einer ruhigen Frau auf der Bühne (und im Leben) dieselbe Aufmerksamkeit und Vertrauensbonus gegeben wird, wie einem lauten Mann. Dass Frauen bei offenen Bühnen genauso selbstverständlich scheitern dürfen, ohne „als Frau“ bewertet zu werden. Comedy zu machen heißt am Anfang oft schlecht zu sein und daraus zu lernen.
Mein Appell: Geht auf die Bühne, fangt klein an, aber macht. Arbeitet, habt Spaß, feiert das anfängliche Scheitern und schafft euch Räume.
Möchtest DU mit Comedy beginnen, aber weisst nich wie und wo? Schreib mir!
*der Fell-Gag ist mal in Thomas Schwiegers Küche entstanden und gehört seitdem ihm!